Demut bringt Dich in die Aufrichtigkeit – sich stellen
Demut bedeutet, den Mut zu haben, mich wahrhaftig selbst anzusehen. Mich selbst zu stellen und die Teile von mir zu erkennen, die ich in anderen verurteile, ist schmerzhaft und entlarvend. Ich erschrecke vor meinem eigenen Spiegelbild und erkenne meine tiefen Motive und Antriebe.
Demut ist die Brücke, um aus Einsicht, zu Mitgefühl mit mir und anderen zu kommen. Demut bedeutet den Mut zu haben, mich wahrhaftig zu sehen, hinter meinen Außenminister zu schauen und mich der traumatischen Geschichte hinter meinen Schwächen und meinen abgelehnten Anteilen zu stellen. So kann ich verstehen wofür ich den Schutz meiner Maske, meines antrainierten Verhaltens so lange brauchte.
Viele Menschen erleben genau diesen Blick auf sich, verknüpft mit der in ihrer Vergangenheit erlebten Demütigung. Sie wurden für ihr So-Sein erniedrigt und gedemütigt und haben sich daraufhin verkleinert, versteckt oder auch verleugnet. Den Blick und die Reaktionen auf mich habe ich als Kränkung und Demütigung meines Kerns erlebt und körperlich gespeichert. Ich bin schuld, weil ich so bin wie ich bin, also bin ich nicht richtig, ich bin falsch. Diese tiefe Überzeugung und Selbstverurteilung, die, in unterschiedlichen Formulierungen, zu einem grundsätzlichen Muster geworden ist, prägt meine Projektionen. Die Anteile, die ich nicht in mir sehen will, projiziere ich auf andere Menschen und verurteile sie dafür.
Wenn ich den Mut finde mich wahrhaftig und aufrichtig anzuschauen, wächst in mir der Mut Verantwortung zu übernehmen für die abgelehnten und versteckten Anteile. Wenn ich anerkenne was meine Vergangenheit mit mir gemacht hat, dann ist das wie die innere (Wieder) Vereinigung von mir und meiner Geschichte, meinem Schicksal. In diesen Momenten spüre ich, dass ich z.B. gespeicherte Gefühle von Wut oder Scham loslassen kann, die meine Schritte so lange gelenkt haben.
Demut heißt für mich auch „Ich zeige mich in meiner wahren Größe. Weder mache ich mich klein, bin ohne Selbstvertrauen und unterwürfig, noch mache ich mich künstlich groß und bin hochmütig und arrogant.“
Wenn ich an mir und meinen Unzulänglichkeiten verzweifle, wenn ich mich z.B. für meine Ängste oder meine Gefühle von Scham verurteile, dann hilft mir der Begleiter oder Freund, der meine Geschichte kennt und mich versteht. „Es ist doch kein Wunder, dass Du Angst hast, bei dem was Du erlebt hast.“
Wie können wir uns selbst ganz annehmen – denn erst dann entsteht echtes Selbstwertgefühl? Wir können uns darin ganz generell üben, indem wir versuchen, so auf uns selbst zu blicken, wie Eltern, die ihr Neugeborenes im Schlaf betrachten. Sie sind erfüllt von Freude und Glück über ihr Kind. Sie möchten es wiegen und streicheln und in ihren Armen halten. Wenn wir uns selbst so betrachten können wie dieses Neugeborene, wenn wir uns innerlich wie ein kleines Kind in den Arm nehmen und uns darüber freuen können, dass es uns gibt, ohne Leistung zu erbringen, ohne etwas Großes zu können, ohne ein „Held“ zu sein, dann heilt unser Bewusstsein von uns.
Die Demut lehrt uns verzeihen und vergeben. Sie bringt uns inneren Frieden – mehr als alles andere. Sie lässt uns erfahren, wie klein der Teil in unserem Leben ist, den wir steuern und kontrollieren können und wie bestimmend und zugleich tragend unsere Verstrickungen im Leben sind. Sie lässt uns die eigenen Persönlichkeits-Anteile erkennen auf Grund derer wir andere verurteilen und legt somit die Grundlage für Versöhnung mit uns und anderen.
Das Ausmaß inneren Friedens
wächst mit dem Maß der Demut
und der Annahme
gegenüber uns selbst
und unseren Mitmenschen.
Heiko Kroy, Geh-Danke