„WER BIN ICH?“
Diese Frage bewegt viele Menschen und sie sind auf der Suche nach einer Antwort, die ihnen hilft ihre Identität zu verstehen. Die Suche nach Identität wird immer dann wichtig, wenn Orientierung im Außen verloren geht, wenn es uns nicht mehr gelingt uns, über unsere Rollen und unserem Besitz zu definieren.
Wer bin ich, im Vergleich zu anderen?
Identität ist nichts Absolutes, Losgelöstes sondern definiert sich immer im Verhältnis zu etwas oder jemandem. Was will ich damit sagen? Wir können unsere Identität immer nur relational, also im Verhältnis zu etwas bestimmen. Wären wir alleine im Weltall, wie könnten wir dann über uns sagen, dass wir z. B. freundlich sind, oder arrogant, oder überheblich, usw. Wir sind all diese Eigenschaften doch nur im Verhältnis zu etwas oder jemandem. Alle unsere Adjektive, die wir benutzen, um uns zu beschreiben, beschreiben eine Beziehung, zu einem Gegenüber oder einer Sache. Sie beschreiben uns in Bezug zu etwas. Wir sind also darauf angewiesen, uns in Bezug zu Dingen in unserem Außen zu setzen, um uns selbst beschreiben zu können.
Es ist somit eine wichtige Frage mit was wir uns in Verhältnis setzen, wozu wir uns in Bezug setzen, womit wir uns vergleichen. Jeder Mensch hat verschiedene Bezugspunkte für die Bildung und Stabilisierung der eigenen Persönlichkeit. Selbstverständlich scheint uns die Bezugnahme zur Arbeit und unseren beruflichen Tätigkeiten. Wie wir sehen ist aber diese Definition unserer Persönlichkeit über z. B. unsere Arbeit in der heutigen Zeit in vielen Bereichen instabil geworden.
Einerseits, weil immer mehr Menschen den Inhalt ihrer Arbeit nicht mehr als sinnstiftend erleben. Ein immer größerer Kreis von Menschen, versucht sich in ehrenamtlichen Tätigkeiten ideell zu engagieren und durch diesen Bezugspunkt ein „besseres“ Selbstbild zu finden. Andererseits, weil heute für viele Menschen der Arbeitsplatz keine stabile und sichere Größe mehr ist. Die Bedrohung durch Arbeitsplatzverlust ist für viele Angestellte, aber auch Unternehmer, eine ständige Gefährdung ihrer Selbstdefinition.
Selbstverständlich sind Beziehungen, in denen wir uns bewegen, ein weiterer sehr wichtiger Bezugspunkt, um unsere Identität zu definieren. Wir können uns doch auch in unserem Freundeskreis wieder erkennen. Welche Menschen habe ich um mich, wen kenne ich und noch viel mehr – wer kennt mich? Die meisten Menschen sind stolz, wenn sie eine „bedeutende Persönlichkeit“ kennen oder sich gar als Freund von dieser oder jener „berühmten“ Person bezeichnen können.
Die subjektiv erlebte Bedeutung und Qualität unserer Freunde bestimmt zu einem guten Teil wie groß wir unsere eigene Bedeutung sehen. Insbesondere unsere (Ehe-)Partner sind zugleich auch immer ein Aushängeschild unserer Persönlichkeit. „So einen tollen Mann hat die, der ist Geschäftsführer in einer internationalen Firma.“ Oder: „So eine fantastische Frau hat der, die arbeitet beim Fernsehen…“
Wie wir wissen, zählen genauso Haus und Grund, sowie Freizeitbeschäftigungen wie Hobby und Sport zu den Bezugspunkten, die unsere Persönlichkeit mitbestimmen. Mit unserer Wohnumgebung, unserem Auto, unserer Kleidung und den uns umgebenden Menschen setzen wir Zeichen, wer wir sind. Es sagt etwas über uns aus, ob wir Golf spielen oder Mountainbiken, Pilgern oder extrem Bergsteigen. Gerade über diese äußeren Zeichen erkennen uns andere und machen sich ein Bild über unsere Persönlichkeit. In unseren Hobbys zeigen sich oft Anteile unserer Persönlichkeit, die wir beruflich nicht leben können, die aber wesentliche Bedürfnisse befriedigen. Sie sind oft Ausdruck unserer tieferen Sehnsucht und manchmal sehr nah an unserer Bestimmung oder Lebensaufgabe.
Was ist bei einer solchen Beurteilung unser Maßstab?
Unser soziales Umfeld ist unser Maßstab, in dem wir uns etablieren und vergleichen. „Störende“ Einflüsse, durch andersartige Meinungen, vermeiden wir und im schlimmsten Fall verurteilen wir sie sogar, um uns zu differenzieren und damit aber auch zu trennen. Aber so wie der Manager vielleicht auf den Punk herabschaut, so schaut auch der Punk verächtlich auf den Manager. Auch die Feindbilder helfen mir, mich meiner Identität zu versichern und sie zu stabilisieren. Ein neues Feindbild schafft neue Identität. Wie oft habe ich in Firmen miterleben können, dass nach dem Wegfall eines eindeutigen Feindes (aggressiver Chef oder bedrohlicher Kunde) ein Team einen Identitätsverlust hatte und in eine Krise kam, bis es ihnen gelang ihre Identität an etwas anderem fest zu machen.
Je mehr Bezugspunkte wir haben, umso weniger macht es uns aus, wenn ein Bezugspunkt verloren geht. Verlieren wir z. B. unsere Arbeit, haben aber immer noch ein intensives Hobby, eine funktionierende Ehe oder Partnerschaft, Wohn- und Lebensbedingungen, in denen wir uns wohl fühlen, intensive Beziehungen zu Freunden und Bekannten, dann sind das genügend stabile Bezugspunkte, die verhindern, dass wir in eine Identitätskrise abrutschen. Wir können unseren Wert und unsere Identität immer noch an diesen anderen Dingen festmachen. Ist hingegen die Arbeit unser einziger Bezugspunkt, so kann bereits der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine plötzliche Berufsunfähigkeit durch Krankheit unsere gesamte Identität in sich zusammen fallen lassen wie ein Kartenhaus. Es fehlen dann Bezugspunkte die mir helfen, mich zu definieren. So geht bei vielen Menschen mit der Pensionierung ein Zusammenbruch ihrer Identität einher.
Finde Dich selbst
Das Geschenk an das Leben bist DU! Stell Dir vor, dass Du – ja, genau Du – ein Geschenk für die Menschen bist. Dass Du in Dir den Schlüssel trägst, der nicht nur den Zugang zu Deinen Herzensschätzen öffnet, sondern auch der Schlüssel ist, der Dich mit Deiner wahrhaftigen Liebe in Verbindung bringt. Stell Dir vor, dass Dein Herzensschatz sich wie eine Gebrauchsanweisung für Dich und Dein Leben liest und dass Du damit zu Deinem „roten Faden“ im Leben unzählige Antworten bekommst. Stell Dir vor, dass Dein Herzensschatz Dir auch in der größten Not zur Seite steht und Deine Wahrheit in sich trägt, so dass Du auch in schwierigen Zeiten darauf vertrauen und bauen kannst.
Leider haben nur wenige Menschen den Eindruck, dass sie ein großes Geschenk an die Welt sind. Im Gegenteil, oft denken wir: „Was kann ich schon?“, „Ich bin nicht gut genug“, „Ich weiß nicht, was ich vom Leben will!“, „Was soll an mir liebenswert sein?“, usw. Wieso haben viele Menschen so ein schlechtes Selbstwertgefühl? Was ist passiert, dass wir nicht unsere Stärken kennen und unsere Schönheit sehen, sondern so kritisch mit uns ins Gericht gehen?
Wir haben bereits als Kinder gelernt…
…dass nicht alle unsere Gedanken und Gefühle begrüßt sind. Das führt als Kind dazu, dass wir Teile unserer Persönlichkeit verbergen, die von den uns wichtigen Personen geächtet werden. Vielleicht wurden wir ausgelacht, wenn wir unsere wahren Gefühle oder Wünsche gezeigt haben, oder wir wurden gemaßregelt, wenn wir mitgeteilt haben, was wir wollen. Uns wurde immer wieder gesagt, dass Kinder kein Recht haben zu sagen was sie wollen. Brachten wir unsere Wut zum Ausdruck wurden wir auf unser Zimmer geschickt oder wenn wir weinten, wurden wir kurz und knapp abgefertigt, dass wir uns zusammen reißen sollen. All das führt dazu, dass wir uns immer seltener ehrlich zeigen – auch den Menschen gegenüber, die uns wirklich nahe stehen. Wir verstecken erst vor ihnen, dann vor uns selbst, unseren ehrlichen und authentischen Ausdruck.
Im Gegenzug lernen wir erwünschte Verhaltensweisen die von unseren Bezugspersonen geachtet werden. In der Psychologie nennt man dies „soziale Erwünschtheit“. Normen und Regeln unserer Gesellschaft, und noch mehr die Normen und Verhaltensweisen in unserer Familie prägen das, was wir von uns nach außen zeigen und was wir den anderen Menschen vorspielen, um angenommen und akzeptiert zu sein. Wir haben praktisch um uns herum einen mehr oder wenig gut funktionierenden Außenminister aufgebaut. Dieser Außenminister ist unsere Maske. Eine Maske die wir einmal brauchten, um uns zu schützen, um zu überleben, um dazu zu gehören. Unser Außenminister ist meist auch gern gesehen. Zumindest wenn er ein freundliches Gesicht macht, selten widerspricht, sich für andere aufopfert, sich in eine Gruppe einfindet und deren Grenzen einhält und nicht allzu viele unangenehme Fragen stellt.
Verloren hinter Masken
Wenn wir nur noch unseren „Außenminister“ leben, verlieren wir mehr und mehr den Kontakt zu uns selbst. Viele Menschen glauben, dass andere sie nicht verstehen würden, wenn sie ihre wahren Gefühle und Gedanken aussprechen würden. Sie haben die Sorge, dass sie dann von anderen „komisch“ angeschaut werden oder nur Unverständnis oder Abwendung als Reaktion bekommen. Mit der Zeit identifizieren wir uns dann immer mehr mit unserem Außenminister und verlernen mit unserem Herzen in Kontakt zu sein. Die meisten haben sogar schon verlernt mit ihren Gefühlen in Kontakt zu kommen. Es ist ein kräftezehrender Kampf diese Maske aufrecht zu erhalten. Muss dieser Kampf andauern? Muss dieser Außenminister Dich repräsentieren und Dein wahres Selbst verbergen? Ist da nicht ein wunderbarer Kern, der stark ist und Dein Leben bestimmen könnte?
Denn es gibt den Kern in Dir, der „ganz“ ist, der Dich wirklich ausmacht, der Dein wahres großes Selbst ist – Deine Seele. Den Außenminister aufrecht zu halten bedeutet viele Anteile unserer Persönlichkeit zu unterdrücken. Das kostet den meisten Menschen so viel Kraft, dass sie immer müde und erschöpft sind und viel Schlaf brauchen. Das Leben wird mühsam und anstrengend. Wir finden uns in ständigem Widerstand, mit dem, was wir sind. Wir kommen wieder zu voller Lebenskraft, wenn wir aufhören können, Anteile unserer Persönlichkeit zu verdrängen und abzulehnen.
Die Kraft und Power, die dadurch freigesetzt wird, ist so groß, dass wir Menschen nach unseren Seminaren erleben können, die sich fragen, warum sie jemals so viel Schlaf gebraucht haben.
Leben ohne Masken
Immer mehr wird man von bekannten Anteilen der Persönlichkeit loslassen müssen und dafür lernen sich selbst wieder kennen zu lernen. Und schließlich wird man ankommen, bei seinem wahren Kern, dem Punkt, wo sich unsere Masken vollkommen auflösen und wir unser göttliches Selbst erfahren.
Dort, fern jeden Verstellens und jeder Rolle, dort, wo man ganz wahrhaftig man selbst ist, wird man erkennen, dass es keine Gegensätze und keine Grenzen mehr gibt. Dort findet man bedingungslose Liebe, die aus der Wahrheit zu sich erwächst. In dieser Liebe ist echte Begegnung möglich: ohne Ängste, (Vor-)Urteile oder Hintergedanken. Eine absichtslose, neugierige und offene Begegnung, geprägt von Freude, Lebendigkeit, Mitgefühl und Annahme, erfüllt und getragen vom Strom der bedingungslosen Liebe. Je mehr man in dieser Art der Begegnung mit sich selbst lebt umso mehr wird man sich wieder zu einer Einheit fügen und erkennen, dass es keine Grenzen gibt. Dass wir all-eins sind.
Führen wir ein solches Leben ohne Masken, geben wir auch anderen Menschen um uns herum die Erlaubnis „echt“ zu sein, oder „wahrhaftig“. Andere Menschen können in unserer Gegenwart anfangen, sich zu zeigen. Sie müssen nicht mehr vorsichtig sein und ihre wahren Gedanken und Gefühle verbergen. Kontakt wird Begegnung, die heilsam ist, für beide Seiten. Tiefe Bedürfnisse und Gefühle finden wieder Raum und unser Kontakt wird nährend und erfüllend. Die Reise zu uns selbst lohnt sich für uns selbst und unsere Mitmenschen. Machen wir gemeinsam den ersten Schritt!
von Heiko Kroy